Nachhaltigkeit und Menschenrechte – Kolumne

Autor: Prof. Dr. Lutz Michael Büchner

Wo beginnen Menschenrechte? In kleinen Orten ganz in der Nähe – so nah und so klein, dass diese auf keiner Landkarte der Welt gesehen werden können. Dennoch bedeuten sie die Welt für jede einzelne Person: die Nachbarschaft in der wir leben; die Schule oder Hochschule, die wir besuchen, die Fabrik, der Bauernhof oder das Büro wo wir arbeiten“ (Eleonore Rosseveld).

Unser Zusammenleben, eine nachhaltige Gesellschaft und die nachhaltige globale Entwicklung basieren fundamental auf der Einhaltung der Menschenrechte. Diese gelten für alle Menschen. Normiert sind sie in verschiedenen internationalen Menschenrechtskonventionen. Der Schutz der Menschenrechte in Deutschland ergibt sich bereits aus Artikel 1 des Grundgesetzes.

Am 10.12 des letzen Jahres (dem Tag der Menschenrechte) wurde des 75. Jahrestags der Verkündung derAllgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR) von der Vollversammlung der Vereinten Nationen gedacht. Sie setzt sich aus 30 Artikeln zusammen und ist mittlerweile auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Neben ihrer rechtlichen Wirkungskraft hat sie auch moralische, politische Bedeutung.

Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen spielen Menschenrechte eine Schlüsselrolle. Entwicklungen könnennur dann nachhaltig sein, wenn ein diskriminierungsfreierZugang zu Menschenrechten und Gerechtigkeit gewährleistet ist.

Momentan wird das Thema Menschenrechte – unter anderem – bei der Auseinandersetzung um den Schutz der Lieferketten- und Wertschöpfungsketten diskutiert. Bereits 2011 wurden zwar von den Vereinten Nationen (UN) „Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte“ verabschiedet. Jetzt geht es aber darum, ob, neben dem Schutz der Umwelt (die Gewährleistung einer gesunden Umwelt ist auch ein Menschenrecht), Unternehmen bei der Verletzung von Menschenrechten in der Lieferkette auch zur Rechenschaft gezogen werden können.

Das betrifft aktuell die Unternehmen BASF und VW, die Produktionsstätten in China betreiben. Da China international die Verletzung der Menschenrechte beim Umgang mit dem Volksstamm der Uiguren in Westchina vorgeworfen wird, überdenken die Firmen ihr Engagement in diesem Bereich. Aber auch ansonsten spielt die Verletzung der Menschenrechte in den Lieferketten eine wichtige Rolle, man denke nur an Unterdrückung, Zwangsarbeit und Sklaverei und unfaire Löhne, nicht zu vergessen intensive Kinderarbeit. Diese Menschenrechte sind in allen Bereichen zu beachten, sei es bei der Gewinnung von Rohstoffen (z.B. Bergwerke), sei es in der Landwirtschaft. Ein weiterer aktuell diskutierter Fall von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette betrifft die Gewinnung von Palmöl in Guatemala, das ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Margarine ist, die unter verschiedenen Marken in unseren Supermärkten verkauft wird. Den Firmen wird vorgeworfen, die Menschenrechte der Anwohner der Palmölplantagen,etwa auf sauberes Wasser, aber auch durch Vertreibung von Bauern und ganzer Bevölkerungsgruppen zu verletzen.

Spricht man von Nachhaltigkeit, geht es immer auch um Gerechtigkeit und Menschenrechte. Allerdings wird  der Umgang mit Menschenrechten unterschiedlich interpretiert und gehandhabt. Das hat sich bei der Fußball WM in Katar gezeigt. Externe Beobachter haben keine Menschenrechtsverletzungen gesehen, die Regierung von Katar konnte in ihrem Verhalten gegenüber den Arbeitern aus Bangladesh, Nepal u.s.w. keine Menschenrechtsverletzung erkennen. Ein Dilemma besteht darin, dass es bei globaler Betrachtung der Thematik nicht zu einem einheitlichen Begriff der Menschenrechte kommt.

Auch wenn die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (SDG = Sustainable Development Goals)) ein einheitliches globales Zielsystem vorgeben, fokussiert es nicht explizit nicht auf die Menschenrechte. Andererseits ergänzen sich Menschenrechte und SDG, insbesondere im sozialen Kontext. Der Aspekt der globalen Gerechtigkeit wird in den SDG mit dem Leitsatz „let no one behind“ (frei übersetzt: lass niemanden im Stich) tituliert. In den SDG 1- 5 nämlich keine Armut, keine Hungersnot, gute Gesundheitsversorgung, hochwertige Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter sind Zielvorgaben, die auf den genannten Menschenrechten basieren.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Entwicklung nur dann nachhaltig ist, wenn der diskriminierungsfreie Zugang zu Menschenrechten gewährleistet ist. Um dies sicherzustellen, haben Staaten die Menschenrechtskonvention unterschrieben, Unternehmen werden zunehmend verpflichtet, für die Einhaltung der Menschenrechte bei ihrem wirtschaftlichen Tun, auch in der Lieferkette, zu achten. Aber auch wir als Zivilgesellschaft haben eine gesellschaftliche Verpflichtung, die Menschenrechte der Mitmenschen zu achten. Ein Anspruch, dem zu folgen schwer fällt. Eine Schande.